Person liest Inkassoschreiben und prüft ihre Rechte
Rechtliches

Inkasso richtig begegnen - Ihre Rechte gegenüber Inkassounternehmen

Schulden loswerden Ratgeber
9 Min. Lesezeit
Inkassoschreiben erhalten? Erfahren Sie, welche Rechte Sie haben, was Inkassofirmen dürfen und wie Sie sich gegen unseriöse Forderungen wehren können.

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Inkasso richtig begegnen - Ihre Rechte gegenüber Inkassounternehmen

Ein Brief vom Inkassobüro im Briefkasten kann beunruhigend sein. Plötzlich wird eine Forderung geltend gemacht, oft verbunden mit zusätzlichen Gebühren und einem fordernden Ton. Viele Menschen fühlen sich in dieser Situation hilflos oder eingeschüchtert.

Die gute Nachricht: Sie haben klare Rechte gegenüber Inkassounternehmen. Nicht alles, was in einem Inkassoschreiben steht, ist rechtens – und längst nicht jede Forderung ist berechtigt. In diesem Ratgeber erfahren Sie, wie Sie souverän mit Inkassoschreiben umgehen, welche Rechte Sie haben und wie Sie sich gegen unseriöse Praktiken wehren können.

Was ist ein Inkassounternehmen und was darf es?

Ein Inkassounternehmen ist ein Dienstleister, der im Auftrag von Gläubigern offene Forderungen eintreibt. Unternehmen beauftragen Inkassobüros, wenn Kunden ihre Rechnungen nicht bezahlen – das spart dem ursprünglichen Gläubiger Zeit und Aufwand.

Zulässige Tätigkeiten von Inkassofirmen

Inkassounternehmen dürfen:

  • Mahnschreiben verschicken und zur Zahlung auffordern
  • Berechtigte Inkassokosten für ihre Dienstleistung verlangen
  • Zahlungspläne anbieten und Ratenzahlungen vereinbaren
  • Nachweise für die Forderung vorlegen (auf Anfrage)
  • Gerichtliche Schritte einleiten (Mahnbescheid beantragen)

Was Inkassofirmen NICHT dürfen

Inkassounternehmen dürfen ausdrücklich nicht:

  • Sie beleidigen, bedrohen oder einschüchtern
  • Nachts oder am Wochenende anrufen (außer Sie haben zugestimmt)
  • Sie am Arbeitsplatz kontaktieren (ohne vorherige Zustimmung)
  • Unberechtigt hohe Gebühren verlangen
  • Falsche Tatsachen behaupten (z.B. “Gerichtsvollzieher kommt morgen”)
  • Ihre Daten an Dritte weitergeben (außer im Rahmen des Inkassoverfahrens)
  • Sie unter massiven psychischen Druck setzen

Wenn ein Inkassounternehmen gegen diese Regeln verstößt, können Sie sich bei der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde beschweren.

Erste Schritte nach Erhalt eines Inkassoschreibens

Ein Inkassoschreiben ist kein Grund zur Panik – aber auch keiner zum Ignorieren. So gehen Sie vor:

1. Ruhe bewahren und Frist prüfen

Atmen Sie durch. Ein Inkassoschreiben ist keine gerichtliche Anordnung. Prüfen Sie die angegebene Zahlungsfrist – meist haben Sie einige Tage bis Wochen Zeit zu reagieren.

2. Forderung genau prüfen

Lesen Sie das Schreiben sorgfältig durch und stellen Sie sich diese Fragen:

  • Kenne ich den ursprünglichen Gläubiger? (z.B. Versandhaus, Telefonanbieter)
  • Habe ich tatsächlich etwas bestellt oder genutzt?
  • Ist die Forderungshöhe nachvollziehbar?
  • Gab es vorherige Mahnungen vom ursprünglichen Gläubiger?

3. Nachweise anfordern

Sie haben das Recht auf Nachweise. Fordern Sie schriftlich folgende Dokumente an:

  • Inkassovollmacht (Nachweis, dass das Inkassobüro berechtigt ist, die Forderung einzutreiben)
  • Ursprüngliche Rechnung oder Vertragsunterlagen
  • Aufschlüsselung der Inkassokosten (wie setzen sich die Gebühren zusammen?)
  • Nachweis über vorherige Mahnungen

Senden Sie Ihre Anfrage per Einschreiben mit Rückschein und setzen Sie eine angemessene Frist (z.B. 14 Tage).

4. Nicht vorschnell zahlen

Zahlen Sie niemals sofort, bevor Sie die Forderung geprüft haben. Eine Zahlung kann als Anerkennung der Schuld gewertet werden – selbst wenn die Forderung unberechtigt war.

Berechtigte vs. unberechtigte Inkassokosten

Inkassounternehmen verlangen für ihre Dienstleistung Gebühren – aber nicht alle Kosten sind rechtmäßig.

Wann sind Inkassokosten berechtigt?

Inkassokosten sind nur dann zu zahlen, wenn:

  1. Die Hauptforderung berechtigt ist
  2. Sie tatsächlich in Verzug sind (meist nach Mahnung)
  3. Die Kosten angemessen sind (nach RVG)

Orientierung für angemessene Inkassokosten

Die Höhe richtet sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Als Orientierung:

  • Forderung bis 300 Euro: ca. 40-70 Euro Inkassokosten
  • Forderung 300-500 Euro: ca. 50-100 Euro
  • Forderung 500-1000 Euro: ca. 70-150 Euro

Wichtig: Pauschale Inkassogebühren von mehr als 200 Euro für kleine Forderungen sind in der Regel überhöht und nicht zu akzeptieren.

Vorsicht vor Kostenfallen

Manche unseriöse Inkassofirmen versuchen, zusätzliche Kosten unterzujubeln:

  • “Bearbeitungsgebühren”
  • “Auskunftskosten”
  • “Recherche-Pauschalen”
  • Überhöhte “Verzugszinsen”

Lassen Sie sich die genaue Berechnung vorlegen und akzeptieren Sie keine pauschalen Fantasiebeträge.

So wehren Sie sich gegen unberechtigte Forderungen

Wenn Sie die Forderung für unberechtigt halten, können Sie aktiv dagegen vorgehen.

Widerspruch einlegen

Schreiben Sie einen klaren, sachlichen Widerspruchsbrief:

Musterformulierung:

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Schreiben vom [Datum] fordern Sie die Zahlung von [Betrag] Euro.

Ich widerspreche dieser Forderung ausdrücklich aus folgenden Gründen: [z.B. “Ich habe keine Geschäftsbeziehung zum genannten Gläubiger” oder “Die Forderung ist verjährt” oder “Ich habe bereits bezahlt”]

Ich fordere Sie auf, mir binnen 14 Tagen folgende Nachweise vorzulegen:

  • Inkassovollmacht
  • Ursprüngliche Rechnung
  • Nachweis über Mahnungen

Bis zur Vorlage dieser Nachweise betrachte ich die Forderung als unbegründet und werde keine Zahlung leisten.

Mit freundlichen Grüßen [Ihr Name]

Versenden Sie den Widerspruch per Einschreiben mit Rückschein.

Bei Mahnbescheid: Unbedingt Widerspruch einlegen!

Ignorieren Sie auf keinen Fall einen gerichtlichen Mahnbescheid. Wenn Sie nicht innerhalb von 14 Tagen Widerspruch einlegen, wird der Mahnbescheid zum Vollstreckungsbescheid – und dann kann gepfändet werden.

Der Widerspruch ist einfach: Kreuzen Sie auf dem Formular “Widerspruch” an, unterschreiben Sie und senden Sie es zurück. Sie brauchen keine Begründung.

Rechtsberatung suchen

Bei komplexen Fällen oder wenn Sie unsicher sind:

  • Verbraucherzentrale (kostengünstige Erstberatung)
  • Schuldnerberatungsstelle (kostenlos)
  • Rechtsschutzversicherung (falls vorhanden)
  • Anwalt für Verbraucherrecht

Unseriöse Inkassopraktiken erkennen

Nicht alle Inkassounternehmen arbeiten seriös. Achten Sie auf diese Warnsignale:

Rote Flaggen bei Inkassoschreiben

  • Aggressive Sprache und Drohungen (“Letzte Warnung!”, “Zwangsvollstreckung steht bevor!“)
  • Extrem kurze Fristen (z.B. “Zahlen Sie innerhalb von 3 Tagen”)
  • Überhöhte Kosten ohne Aufschlüsselung
  • Keine Kontaktdaten des ursprünglichen Gläubigers
  • Fehlende Inkassovollmacht
  • Angebliche Hausbesuche oder “Ermittlungen vor Ort”

Bei betrügerischen Inkassoschreiben

Manchmal sind Inkassoschreiben komplett erfunden (Inkasso-Betrug). Anzeichen:

  • Sie haben garantiert nichts mit dem Gläubiger zu tun
  • Absender ist unbekannt oder im Impressum nicht auffindbar
  • Forderung erscheint völlig aus der Luft gegriffen
  • Zahlungsaufforderung nur auf ausländische Konten

Was tun? Zahlen Sie nicht. Melden Sie den Vorfall der Polizei (Betrug) und der Verbraucherzentrale.

Wie Sie mit seriösen Inkassounternehmen kommunizieren

Falls die Forderung berechtigt ist, aber Sie aktuell nicht zahlen können:

1. Kontakt aufnehmen

Ignorieren bringt nichts. Nehmen Sie schriftlich Kontakt auf und erklären Sie Ihre Situation ehrlich.

2. Ratenzahlung vorschlagen

Die meisten Inkassofirmen sind zu Ratenzahlungen bereit, wenn Sie einen realistischen Plan vorlegen:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich erkenne die Forderung in Höhe von [Betrag] Euro grundsätzlich an. Aufgrund meiner aktuellen finanziellen Lage kann ich den Betrag jedoch nicht auf einmal begleichen.

Ich biete Ihnen eine monatliche Ratenzahlung von [Betrag] Euro an, beginnend am [Datum].

Ich bitte um schriftliche Bestätigung dieser Vereinbarung.

Mit freundlichen Grüßen

3. Schriftliche Bestätigung einholen

Lassen Sie sich jede Vereinbarung schriftlich bestätigen. Mündliche Zusagen zählen im Ernstfall nicht.

4. Zahlungen dokumentieren

Bewahren Sie alle Kontoauszüge und Überweisungsbelege auf. So können Sie jederzeit nachweisen, was Sie bereits gezahlt haben.

Ihre Rechte im Überblick

Zusammengefasst haben Sie diese wichtigen Rechte:

RechtWas bedeutet das?
Recht auf NachweiseSie können jederzeit Belege für die Forderung verlangen
Recht auf WiderspruchSie dürfen unberechtigte Forderungen anzweifeln
Schutz vor BelästigungInkassofirmen dürfen Sie nicht bedrohen oder massiv unter Druck setzen
DatenschutzIhre Daten dürfen nicht unbefugt weitergegeben werden
Recht auf RatenzahlungBei berechtigten Forderungen können Sie Ratenzahlung anbieten
BeschwerderechtSie können unseriöse Inkassofirmen bei der Rechtsaufsicht melden

Wann Sie sich beschweren sollten

Wenn ein Inkassounternehmen unseriös handelt, können Sie sich beschweren bei:

  • Rechtsaufsicht über Inkassodienstleister (zuständig je nach Bundesland)
  • Verbraucherzentrale
  • Bundesnetzagentur (bei telefonischer Belästigung)
  • Datenschutzbeauftragter (bei Datenschutzverstößen)

Dokumentieren Sie alle Vorfälle (Datum, Uhrzeit, Gesprächsinhalte, Schreiben) und reichen Sie Kopien bei der Beschwerde ein.

Verjährung von Inkassoforderungen

Auch Inkassoforderungen unterliegen der Verjährung. Die reguläre Verjährungsfrist beträgt drei Jahre ab Ende des Jahres, in dem die Forderung entstanden ist.

Achtung: Die Verjährung wird unterbrochen durch:

  • Mahnbescheid
  • Klage
  • Schriftliche Anerkennung der Schuld durch Sie

Informieren Sie sich in unserem Artikel über Schuldenverjährung, um mehr zu erfahren.

Inkasso und Schufa

Inkassofirmen können einen negativen Schufa-Eintrag veranlassen – aber nur unter bestimmten Voraussetzungen:

  • Die Forderung muss berechtigt sein
  • Sie müssen zweimal gemahnt worden sein
  • Zwischen den Mahnungen müssen mindestens 4 Wochen liegen
  • Sie wurden über die Schufa-Meldung vorab informiert

Ein unrechtmäßiger Schufa-Eintrag kann gelöscht werden. Mehr dazu in unserem Ratgeber: Schufa-Eintrag löschen.

Praktische Tipps im Umgang mit Inkasso

Do’s:

  • Immer schriftlich kommunizieren (per Einschreiben)
  • Alle Unterlagen aufbewahren (Schreiben, Kontoauszüge)
  • Fristen einhalten (besonders bei Mahnbescheiden)
  • Bei Unsicherheit Beratung suchen
  • Sachlich bleiben – auch wenn das Inkassoschreiben aggressiv formuliert ist

Don’ts:

  • Nie vorschnell zahlen ohne Prüfung
  • Telefongespräche vermeiden (schwer nachweisbar)
  • Keine mündlichen Zusagen machen
  • Inkassoforderungen nicht ignorieren
  • Sich nicht einschüchtern lassen

Wenn die Forderung berechtigt ist: Schuldenabbau angehen

Falls die Inkassoforderung tatsächlich berechtigt ist und Sie weitere Schulden haben, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, das Thema grundsätzlich anzugehen.

Hilfreiche Ressourcen:

Eine professionelle Schuldnerberatung kann Ihnen helfen, einen realistischen Plan zu entwickeln und mit allen Gläubigern – auch Inkassounternehmen – faire Vereinbarungen zu treffen.

Fazit: Sie sind nicht machtlos

Ein Inkassoschreiben ist unangenehm, aber kein Grund zur Verzweiflung. Sie haben klare Rechte, und nicht alles, was ein Inkassounternehmen fordert, ist automatisch rechtens.

Die wichtigsten Punkte:

  • Prüfen Sie jede Forderung genau, bevor Sie zahlen
  • Fordern Sie Nachweise an (Vollmacht, Rechnung, Kostenaufstellung)
  • Wehren Sie sich gegen unberechtigte oder überhöhte Forderungen
  • Kommunizieren Sie schriftlich und dokumentieren Sie alles
  • Suchen Sie Hilfe, wenn Sie unsicher sind

Mit dem richtigen Wissen und einer klaren Strategie können Sie souverän mit Inkassounternehmen umgehen – und sich gegen unseriöse Praktiken erfolgreich zur Wehr setzen.

Sie sind nicht allein. Tausende Menschen haben ähnliche Situationen gemeistert. Mit Ruhe, Information und den richtigen Schritten kommen auch Sie da durch.

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