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Inkasso richtig begegnen - Ihre Rechte gegenüber Inkassounternehmen
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Inkasso richtig begegnen - Ihre Rechte gegenüber Inkassounternehmen
Ein Brief vom Inkassobüro im Briefkasten kann beunruhigend sein. Plötzlich wird eine Forderung geltend gemacht, oft verbunden mit zusätzlichen Gebühren und einem fordernden Ton. Viele Menschen fühlen sich in dieser Situation hilflos oder eingeschüchtert.
Die gute Nachricht: Sie haben klare Rechte gegenüber Inkassounternehmen. Nicht alles, was in einem Inkassoschreiben steht, ist rechtens – und längst nicht jede Forderung ist berechtigt. In diesem Ratgeber erfahren Sie, wie Sie souverän mit Inkassoschreiben umgehen, welche Rechte Sie haben und wie Sie sich gegen unseriöse Praktiken wehren können.
Was ist ein Inkassounternehmen und was darf es?
Ein Inkassounternehmen ist ein Dienstleister, der im Auftrag von Gläubigern offene Forderungen eintreibt. Unternehmen beauftragen Inkassobüros, wenn Kunden ihre Rechnungen nicht bezahlen – das spart dem ursprünglichen Gläubiger Zeit und Aufwand.
Zulässige Tätigkeiten von Inkassofirmen
Inkassounternehmen dürfen:
- Mahnschreiben verschicken und zur Zahlung auffordern
- Berechtigte Inkassokosten für ihre Dienstleistung verlangen
- Zahlungspläne anbieten und Ratenzahlungen vereinbaren
- Nachweise für die Forderung vorlegen (auf Anfrage)
- Gerichtliche Schritte einleiten (Mahnbescheid beantragen)
Was Inkassofirmen NICHT dürfen
Inkassounternehmen dürfen ausdrücklich nicht:
- Sie beleidigen, bedrohen oder einschüchtern
- Nachts oder am Wochenende anrufen (außer Sie haben zugestimmt)
- Sie am Arbeitsplatz kontaktieren (ohne vorherige Zustimmung)
- Unberechtigt hohe Gebühren verlangen
- Falsche Tatsachen behaupten (z.B. “Gerichtsvollzieher kommt morgen”)
- Ihre Daten an Dritte weitergeben (außer im Rahmen des Inkassoverfahrens)
- Sie unter massiven psychischen Druck setzen
Wenn ein Inkassounternehmen gegen diese Regeln verstößt, können Sie sich bei der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde beschweren.
Erste Schritte nach Erhalt eines Inkassoschreibens
Ein Inkassoschreiben ist kein Grund zur Panik – aber auch keiner zum Ignorieren. So gehen Sie vor:
1. Ruhe bewahren und Frist prüfen
Atmen Sie durch. Ein Inkassoschreiben ist keine gerichtliche Anordnung. Prüfen Sie die angegebene Zahlungsfrist – meist haben Sie einige Tage bis Wochen Zeit zu reagieren.
2. Forderung genau prüfen
Lesen Sie das Schreiben sorgfältig durch und stellen Sie sich diese Fragen:
- Kenne ich den ursprünglichen Gläubiger? (z.B. Versandhaus, Telefonanbieter)
- Habe ich tatsächlich etwas bestellt oder genutzt?
- Ist die Forderungshöhe nachvollziehbar?
- Gab es vorherige Mahnungen vom ursprünglichen Gläubiger?
3. Nachweise anfordern
Sie haben das Recht auf Nachweise. Fordern Sie schriftlich folgende Dokumente an:
- Inkassovollmacht (Nachweis, dass das Inkassobüro berechtigt ist, die Forderung einzutreiben)
- Ursprüngliche Rechnung oder Vertragsunterlagen
- Aufschlüsselung der Inkassokosten (wie setzen sich die Gebühren zusammen?)
- Nachweis über vorherige Mahnungen
Senden Sie Ihre Anfrage per Einschreiben mit Rückschein und setzen Sie eine angemessene Frist (z.B. 14 Tage).
4. Nicht vorschnell zahlen
Zahlen Sie niemals sofort, bevor Sie die Forderung geprüft haben. Eine Zahlung kann als Anerkennung der Schuld gewertet werden – selbst wenn die Forderung unberechtigt war.
Berechtigte vs. unberechtigte Inkassokosten
Inkassounternehmen verlangen für ihre Dienstleistung Gebühren – aber nicht alle Kosten sind rechtmäßig.
Wann sind Inkassokosten berechtigt?
Inkassokosten sind nur dann zu zahlen, wenn:
- Die Hauptforderung berechtigt ist
- Sie tatsächlich in Verzug sind (meist nach Mahnung)
- Die Kosten angemessen sind (nach RVG)
Orientierung für angemessene Inkassokosten
Die Höhe richtet sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Als Orientierung:
- Forderung bis 300 Euro: ca. 40-70 Euro Inkassokosten
- Forderung 300-500 Euro: ca. 50-100 Euro
- Forderung 500-1000 Euro: ca. 70-150 Euro
Wichtig: Pauschale Inkassogebühren von mehr als 200 Euro für kleine Forderungen sind in der Regel überhöht und nicht zu akzeptieren.
Vorsicht vor Kostenfallen
Manche unseriöse Inkassofirmen versuchen, zusätzliche Kosten unterzujubeln:
- “Bearbeitungsgebühren”
- “Auskunftskosten”
- “Recherche-Pauschalen”
- Überhöhte “Verzugszinsen”
Lassen Sie sich die genaue Berechnung vorlegen und akzeptieren Sie keine pauschalen Fantasiebeträge.
So wehren Sie sich gegen unberechtigte Forderungen
Wenn Sie die Forderung für unberechtigt halten, können Sie aktiv dagegen vorgehen.
Widerspruch einlegen
Schreiben Sie einen klaren, sachlichen Widerspruchsbrief:
Musterformulierung:
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Schreiben vom [Datum] fordern Sie die Zahlung von [Betrag] Euro.
Ich widerspreche dieser Forderung ausdrücklich aus folgenden Gründen: [z.B. “Ich habe keine Geschäftsbeziehung zum genannten Gläubiger” oder “Die Forderung ist verjährt” oder “Ich habe bereits bezahlt”]
Ich fordere Sie auf, mir binnen 14 Tagen folgende Nachweise vorzulegen:
- Inkassovollmacht
- Ursprüngliche Rechnung
- Nachweis über Mahnungen
Bis zur Vorlage dieser Nachweise betrachte ich die Forderung als unbegründet und werde keine Zahlung leisten.
Mit freundlichen Grüßen [Ihr Name]
Versenden Sie den Widerspruch per Einschreiben mit Rückschein.
Bei Mahnbescheid: Unbedingt Widerspruch einlegen!
Ignorieren Sie auf keinen Fall einen gerichtlichen Mahnbescheid. Wenn Sie nicht innerhalb von 14 Tagen Widerspruch einlegen, wird der Mahnbescheid zum Vollstreckungsbescheid – und dann kann gepfändet werden.
Der Widerspruch ist einfach: Kreuzen Sie auf dem Formular “Widerspruch” an, unterschreiben Sie und senden Sie es zurück. Sie brauchen keine Begründung.
Rechtsberatung suchen
Bei komplexen Fällen oder wenn Sie unsicher sind:
- Verbraucherzentrale (kostengünstige Erstberatung)
- Schuldnerberatungsstelle (kostenlos)
- Rechtsschutzversicherung (falls vorhanden)
- Anwalt für Verbraucherrecht
Unseriöse Inkassopraktiken erkennen
Nicht alle Inkassounternehmen arbeiten seriös. Achten Sie auf diese Warnsignale:
Rote Flaggen bei Inkassoschreiben
- Aggressive Sprache und Drohungen (“Letzte Warnung!”, “Zwangsvollstreckung steht bevor!“)
- Extrem kurze Fristen (z.B. “Zahlen Sie innerhalb von 3 Tagen”)
- Überhöhte Kosten ohne Aufschlüsselung
- Keine Kontaktdaten des ursprünglichen Gläubigers
- Fehlende Inkassovollmacht
- Angebliche Hausbesuche oder “Ermittlungen vor Ort”
Bei betrügerischen Inkassoschreiben
Manchmal sind Inkassoschreiben komplett erfunden (Inkasso-Betrug). Anzeichen:
- Sie haben garantiert nichts mit dem Gläubiger zu tun
- Absender ist unbekannt oder im Impressum nicht auffindbar
- Forderung erscheint völlig aus der Luft gegriffen
- Zahlungsaufforderung nur auf ausländische Konten
Was tun? Zahlen Sie nicht. Melden Sie den Vorfall der Polizei (Betrug) und der Verbraucherzentrale.
Wie Sie mit seriösen Inkassounternehmen kommunizieren
Falls die Forderung berechtigt ist, aber Sie aktuell nicht zahlen können:
1. Kontakt aufnehmen
Ignorieren bringt nichts. Nehmen Sie schriftlich Kontakt auf und erklären Sie Ihre Situation ehrlich.
2. Ratenzahlung vorschlagen
Die meisten Inkassofirmen sind zu Ratenzahlungen bereit, wenn Sie einen realistischen Plan vorlegen:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich erkenne die Forderung in Höhe von [Betrag] Euro grundsätzlich an. Aufgrund meiner aktuellen finanziellen Lage kann ich den Betrag jedoch nicht auf einmal begleichen.
Ich biete Ihnen eine monatliche Ratenzahlung von [Betrag] Euro an, beginnend am [Datum].
Ich bitte um schriftliche Bestätigung dieser Vereinbarung.
Mit freundlichen Grüßen
3. Schriftliche Bestätigung einholen
Lassen Sie sich jede Vereinbarung schriftlich bestätigen. Mündliche Zusagen zählen im Ernstfall nicht.
4. Zahlungen dokumentieren
Bewahren Sie alle Kontoauszüge und Überweisungsbelege auf. So können Sie jederzeit nachweisen, was Sie bereits gezahlt haben.
Ihre Rechte im Überblick
Zusammengefasst haben Sie diese wichtigen Rechte:
| Recht | Was bedeutet das? |
|---|---|
| Recht auf Nachweise | Sie können jederzeit Belege für die Forderung verlangen |
| Recht auf Widerspruch | Sie dürfen unberechtigte Forderungen anzweifeln |
| Schutz vor Belästigung | Inkassofirmen dürfen Sie nicht bedrohen oder massiv unter Druck setzen |
| Datenschutz | Ihre Daten dürfen nicht unbefugt weitergegeben werden |
| Recht auf Ratenzahlung | Bei berechtigten Forderungen können Sie Ratenzahlung anbieten |
| Beschwerderecht | Sie können unseriöse Inkassofirmen bei der Rechtsaufsicht melden |
Wann Sie sich beschweren sollten
Wenn ein Inkassounternehmen unseriös handelt, können Sie sich beschweren bei:
- Rechtsaufsicht über Inkassodienstleister (zuständig je nach Bundesland)
- Verbraucherzentrale
- Bundesnetzagentur (bei telefonischer Belästigung)
- Datenschutzbeauftragter (bei Datenschutzverstößen)
Dokumentieren Sie alle Vorfälle (Datum, Uhrzeit, Gesprächsinhalte, Schreiben) und reichen Sie Kopien bei der Beschwerde ein.
Verjährung von Inkassoforderungen
Auch Inkassoforderungen unterliegen der Verjährung. Die reguläre Verjährungsfrist beträgt drei Jahre ab Ende des Jahres, in dem die Forderung entstanden ist.
Achtung: Die Verjährung wird unterbrochen durch:
- Mahnbescheid
- Klage
- Schriftliche Anerkennung der Schuld durch Sie
Informieren Sie sich in unserem Artikel über Schuldenverjährung, um mehr zu erfahren.
Inkasso und Schufa
Inkassofirmen können einen negativen Schufa-Eintrag veranlassen – aber nur unter bestimmten Voraussetzungen:
- Die Forderung muss berechtigt sein
- Sie müssen zweimal gemahnt worden sein
- Zwischen den Mahnungen müssen mindestens 4 Wochen liegen
- Sie wurden über die Schufa-Meldung vorab informiert
Ein unrechtmäßiger Schufa-Eintrag kann gelöscht werden. Mehr dazu in unserem Ratgeber: Schufa-Eintrag löschen.
Praktische Tipps im Umgang mit Inkasso
Do’s:
- Immer schriftlich kommunizieren (per Einschreiben)
- Alle Unterlagen aufbewahren (Schreiben, Kontoauszüge)
- Fristen einhalten (besonders bei Mahnbescheiden)
- Bei Unsicherheit Beratung suchen
- Sachlich bleiben – auch wenn das Inkassoschreiben aggressiv formuliert ist
Don’ts:
- Nie vorschnell zahlen ohne Prüfung
- Telefongespräche vermeiden (schwer nachweisbar)
- Keine mündlichen Zusagen machen
- Inkassoforderungen nicht ignorieren
- Sich nicht einschüchtern lassen
Wenn die Forderung berechtigt ist: Schuldenabbau angehen
Falls die Inkassoforderung tatsächlich berechtigt ist und Sie weitere Schulden haben, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, das Thema grundsätzlich anzugehen.
Hilfreiche Ressourcen:
- Schulden loswerden – Der komplette Ratgeber
- Schuldenberatung finden
- Mit Gläubigern verhandeln
- Haushaltsplan erstellen
Eine professionelle Schuldnerberatung kann Ihnen helfen, einen realistischen Plan zu entwickeln und mit allen Gläubigern – auch Inkassounternehmen – faire Vereinbarungen zu treffen.
Fazit: Sie sind nicht machtlos
Ein Inkassoschreiben ist unangenehm, aber kein Grund zur Verzweiflung. Sie haben klare Rechte, und nicht alles, was ein Inkassounternehmen fordert, ist automatisch rechtens.
Die wichtigsten Punkte:
- Prüfen Sie jede Forderung genau, bevor Sie zahlen
- Fordern Sie Nachweise an (Vollmacht, Rechnung, Kostenaufstellung)
- Wehren Sie sich gegen unberechtigte oder überhöhte Forderungen
- Kommunizieren Sie schriftlich und dokumentieren Sie alles
- Suchen Sie Hilfe, wenn Sie unsicher sind
Mit dem richtigen Wissen und einer klaren Strategie können Sie souverän mit Inkassounternehmen umgehen – und sich gegen unseriöse Praktiken erfolgreich zur Wehr setzen.
Sie sind nicht allein. Tausende Menschen haben ähnliche Situationen gemeistert. Mit Ruhe, Information und den richtigen Schritten kommen auch Sie da durch.
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